Knorpeltherapie und -chirurgie
Eine vielversprechende Methodik zur Behandlung von lokal umschriebenen Knorpeldefekten etwa im Kniegelenk oder in der Hüfte ist die arthroskopische ACT (Autologe Chondrocyten Transplantation), bei der bei einem ersten operativen Eingriff die körpereigenen Knorpelzellen (Chondrozyten) arthroskopisch entnommen werden. In einem aufwendigen Verfahren werden die Knorpelzellen im Labor zu dreidimensionalen Kügelchen (Sphäroiden) zusammengefasst, wobei jedes einzelne Sphäroid etwa 200 000 Knorpelzellen enthält und je nach Reifegrad einen Durchmesser von nur 0,5-0,7 mm hat. Die Herstellung der 3D-Sphäroide wird ausschließlich mit patienteneigenem Blut durchgeführt, wodurch Fremdeiweiße und Nebenwirkungen vermieden werden.
Sobald die Sphäroide bei der Implantation mit dem vorbereiteten Knorpeldefektlager Kontakt aufnehmen, können sie durch Adhäsionsproteine mechanisch stabil am subchondralen Knochen anhaften. Häufig werden von uns auch mehrere Defekte gleichzeitig durch eine Knorpelzelltransplantation versorgt.
- Weitere Informationen zum Thema erfolgreiche Behandlung eines Knorpelschadens im Kniegelenk finden Sie hier.
- Und hier erfahren Sie, wie man Knorpelschaden effektiv im Hüftgelenk therapieren kann.
Was genau ist eine Chondrozytentransplantation und was passiert dabei?
Die Chondrozytentransplantation wurde ursprünglich durch ein schwedisches Forscherteam entwickelt. Aus einem nicht belasteten Areal des Gelenkes wird bei einer Arthroskopie ein kleines Stück Knorpel entnommen. Anschließend wird es mit einem Spezialverfahren von seinen Fasern befreit und die nun frei gewordenen Knorpelzellen sozusagen im Reagenzglas durch Züchtung vermehrt. Etwa nach drei bis sechs Wochen wird in einem offenen Verfahren der Knorpeldefekt zunächst mit einer Knochenhaut übernäht. In die daraus resultierende Tasche werden die gezüchteten Knorpelzellen injiziert. Im Verlaufe von einigen Monaten entsteht hieraus ein neuer Knorpel, der weitgehend dem natürlichen Knorpel entspricht.
Wie werden die Kügelchen (Sphäroide) eingebracht?
Die Operationstechnik wurde mittlerweile soweit verfeinert, dass die Operation minimal-invasiv durchführt werden kann. Im Bereich des Knies beispielsweise werden die Zellen in alle Bereiche des Kniegelenkes transplantiert, etwa an die Oberschenkelrolle, den Schienbeinkopf und auch in den Bereich der Kniescheibe.
Sobald die Sphäroide bei der Implantation mit dem vorbereiteten Knorpeldefektlager Kontakt aufnehmen, können sie durch Adhäsionsproteine mechanisch stabil am subchondralen Knochen anhaften. Häufig werden von uns auch mehrere Defekte gleichzeitig durch eine Knorpelzelltransplantation versorgt.
Selbst das “Überschwemmen” der Sphäroide mit arthroskopischer Spülflüssigkeit kann den Knorpelzellen nach der Implantation in den Knorpeldefekt nichts mehr anhaben.
Was ist die Besonderheit dieses Verfahrens?
Die Vermehrung der Knorpelzellen und die Herstellung der Sphäroide werden ausschließlich mit patienteneigenen Blutserum durchgeführt. Dadurch werden Fremdreaktionen oder Nebenwirkungen vermieden.
Was passiert nach der Einbringung der Sphäroiden?
Unter der Bewegungsbehandlung bilden die eingebrachten Knorpelzellen neues qualitativ hochwertiges Knorpelzellgewebe aus. Es verbindet sich mit dem gesunden Knorpel und ist diesem in dessen biomechanischen Eigenschaften sehr ähnlich.

Abb.5: Großflächiger viertgradiger Defekt am medialen Femurkondylus (links), ACT mit Sphäroiden (mittig) und Knorpelregenerat 4,5 Monate nach Implantation (rechts)
Welche Rehabiliationsmaßnahmen sind notwendig?
Eine passive Bewegung mit Motorschiene (CPM) sollte für mindestens 4-6 Stunden täglich über einen Zeitraum von vier Wochen durchgeführt werden. Eine komplette Entlastung des operierten Beines erscheint nicht sinnvoll und gestaltet sich zum Beispiel beim Hüftgelenk sehr schwierig, da bereits beim Sitzen eine volle Belastung des Gelenkes erreicht wird. Ergometer (Fahrradfahren ohne großen Widerstand) sollte als “Knorpelmassage” regelmäßig durchgeführt werden. Der Patient sollte Sportarten mit Belastung wie z.B. Joggen und Impact-Sport frühestens nach etwa neu bis zwölf Monate durchführen. Es erscheint sinnvoll, Glucosamin und Chondroitinsulfat für die ersten 12 Monate nach der Operation oral zu verabreichen oder direkt in das Gelenk zu injizieren.
Seit wann gibt es dieses Verfahren hier am Zentrum?
Es werden pro Jahr mehrere hundert minimalinvasive Knorpelzelltransplantationen bei uns durchgeführt. Damit zählt das Internationale Zentrum für Orthopädie zu den erfahrensten Knorpelspezialisten weltweit. Bereits 2006 haben wir als eines der ersten Zentren in Deutschland einen neuen Weg der autologen Knorpelzelltransplantation eingeschlagen.
Das von der Firma co.don® AG (Berlin) entwickelte Verfahren macht es möglich, die Implantation der Knorpelzellen auch minimal invasiv, d.h. arthroskopisch durchzuführen. Dazu wird zunächst ein nur wenige Millimeter großes Knorpelstück aus einem wenig belasteten Areal des Gelenks für die Anzüchtung der Zellen entnommen.
Was sagt die Wissenschaft dazu? Welche Erfolge kann man bereits festhalten?
In den letzten Jahrzehnten konnten wir weit mehr als 800 Patienten mit Sphäroiden erfolgreich arthroskopisch behandeln. Alle Patienten werden von uns postoperativ nachuntersucht – die klinischen Ergebnisse sind in den meisten Fällen sehr überzeugend. Bei verschiedenen Patienten waren uns arthroskopische Kontrolluntersuchungen des transplantierten Knorpels nach sechs Wochen, vier Monaten, neu und 18 Monaten möglich.
In 91% wurde eine vollständige Defektdeckung durch die Knorpeltransplantation vorgefunden (siehe publizierte Studien). Kernspintomographische Aufnahmen unterstreichen die guten klinischen Ergebnisse.
ATOS News
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- “AutoCart® – eine autologe in-situ-Transplantation von Knorpelchips” ATOS News 40/22 von Prof. Thermann
- “Good healing potential of patellar chondral defects after all-arthroscopic autologous chondrocyte implantation with spheroids” in SPRINGER Medizin 5/22 von Prof. Siebold et al.
- “Gelenkerhaltender Eingriff bei Patella-Arthrose” in ATOS News 38/21 von Prof. Siebold
- “Rehabilitation und Sportfähigkeit nach Knorpelzelltransplantation am Kniegelenk” in ATOS News 35/20 von Prof. Siebold
- “Knorpelrekonstruktion am Sprunggelenk” in ATOS News 33/19 von Prof. Becher