Experteninterview mit Priv.-Doz. Dr. Sowa
Privatdozent Dr. Sowa ist im Frühjahr 2024 als neuer Facharzt an das Internationale Zentrum für Orthopädie der ATOS Klinik Heidelberg gewechselt. Zuvor war er mehrere Jahre als Orthopäde am Universitätsklinikum Heidelberg tätig.
Herr Dr. Sowa, worauf haben Sie sich in Ihrer medizinischen Laufbahn spezialisiert?
Ich fand den Weg in die Orthopädie durch meine Leidenschaft für den Sport und dem daraus gewachsenen Interesse am Wunder unseres Bewegungsapparats. Die Schulter war damals noch unerforscht und galt als komplex und herausfordernd. Das hat mich natürlich fasziniert und neugierig gemacht. Beschäftigt hat mich immer: was kann ich tun, um meine Schulter gesund zu halten? Wie werde ich nach Verletzungen wieder fit? Und wenn eine Operation notwendig ist- wie erziele ich für jeden meiner Patienten das bestmögliche Ergebnis?
Sie sind Schulterexperte. Mit welchen Erkrankungen oder Verletzungen des Schultergelenks haben Sie hauptsächlich zu tun?
Die Schulter aufgrund Ihres einzigartigen Aufbaus ein sehr bewegliches, aber auch verletzungsanfälliges Gelenk. Wichtig zur Verletzungsprophylaxe ist eine optimale muskuläre Gelenkführung. Gerät diese aus dem Lot kann es zu Sehnenverletzungen und Instabilitäten bis hin zur Schulterarthrose kommen. Hier gilt es frühzeitig einzugreifen. Ganz wichtig ist aber auch die Behandlung von Schulterverletzungen als Folge sportlicher Aktivität oder anderer Unfälle. Dazu zählen zum Beispiel die ausgekugelte Schulter oder Knochenbrüche.
Generell kann man sagen, dass bei der Schulter viel konservativ und nur selten operativ behandelt werden muss. Wann aber ist eine Operation notwendig?
Bei den sehr häufigen funktionellen Beschwerden ist eine Operation nicht notwendig. Hier wird in der Regel die muskuläre Führung durch ein gezieltes Training wieder aufgebaut. Besteht dieses Ungleichgewicht allerdings über einen längeren Zeitraum kann es hierdurch zu Folgeschäden an den Sehnen der Rotatorenmanschette kommen. In diesem Fall kann eine Operation durchaus sinnvoll sein, um die volle Funktion des Arms wiederherzustellen oder das Auftreten einer Arthrose zu verhindern. Natürlich kann auch bei Unfällen oder akuten Sportverletzungen eine Operation ratsam sein. Grundsätzlich gilt jedoch: jeder Patient und jede Verletzung sind individuell zu betrachten und erfordern eine exakte Untersuchung und Beratung bevor die Entscheidung zu einem operativen Eingriff getroffen wird.
„In diesem Fall kann eine Operation durchaus sinnvoll sein, um die volle Funktion des Arms wiederherzustellen oder das Auftreten einer Arthrose zu verhindern. „
Priv.-Doz. Dr. Sowa
Nach Angaben der Agency for Healthcare Research and Quality (AHRQ) erhalten in den USA jährlich rund 53.000 Menschen ein künstliches Schultergelenk. Wie sieht die Statistik in Deutschland aus und woran liegt das Ihrer Meinung nach?
In Deutschland werden pro Jahr etwa 20.000 Schulterprothesen implantiert. Genaue Zahlen liegen hierzu allerdings nicht vor. Die Gründe für die Implantation eines künstlichen Gelenks sind vielfältig und schließen neben Erkrankungen der Schulter auch Knochenbrüche am Oberarmkopf oder Folgezustände nach älteren Verletzungen mit ein.
„Schulter-TEP“, „Hemiprothese“, „Inverse Prothese“, „Kappenprothese“ usw. sind verschiedene Arten von Prothesen, die bei Verletzungen des Schultergelenks eingesetzt werden. Können Sie uns einen kurzen Überblick über die verschiedenen Schulterprothesen geben?
Die Entscheidung für das richtige Implantat ist äußerst individuell und von zahlreichen Faktoren abhängig. Eine grundlegende Überlegung ist, ob ein anatomisches Implantat gewählt werden kann, das den bestehenden Bauplan der Schulter exakt nachbildet. Diese anatomische Form der Endoprothetik kann entweder als Hemiendoprothese, wenn nur der Oberarmkopf ersetzt wird, oder als Totalendoprothese (TEP), wenn auch die Gelenkpfanne ersetzt wird, durchgeführt werden. Falls die Voraussetzungen für ein anatomisches Implantat nicht erfüllt sind, sollte dieses unbedingt vermieden werden, da sonst die Gelenkfunktion, die Haltbarkeit des Implantats und schließlich auch die Zufriedenheit des Patienten nicht den Erwartungen entsprechen. Glücklicherweise haben wir gelernt, dass der große Deltamuskel der Schulter die Funktion geschädigter Sehnen übernehmen kann, sofern er richtig wirken kann. Dies ist jedoch nur möglich, wenn er die richtige Vorspannung und Ausrichtung erhält. Hier kommt die inverse Prothese ins Spiel, die genau dies ermöglicht. Mittlerweile ist diese insbesondere bei älteren Patienten das am häufigsten verwendete Implantat. Aber auch jüngere Patienten profitieren von der inversen Prothese, wenn die Voraussetzungen für ein anatomisches Implantat nicht erfüllt sind. Es ist daher entscheidend, für jeden Patienten die geeignete Strategie auszuwählen. Auf diese Weise können unabhängig vom gewählten Implantat ausgezeichnete klinische Ergebnisse und eine äußerst hohe Patientenzufriedenheit erreicht werden.
„Das am häufigsten verwendete Implantat, insbesondere bei älteren Patienten, ist heute die so genannte inverse Prothese.„
Priv.-Doz. Dr. Sowa
Die Schulterendoprothetik hat in den letzten Jahren kontinuierliche Fortschritte gemacht, insbesondere im Bereich des Glenoids bzw. der Gelenkpfanne. Was versteht man darunter?
Das Glenoid beschreibt die Gelenkpfanne als Teil des Schulterblattes und ist damit der Gelenkpartner für den Oberarmkopf. In der anatomischen Schulterendoprothetik wird der Ausdruck auch synonym für die künstliche Schulterpfanne verwendet. Eine Herausforderung in der Schulterendoprothetik besteht darin, dass sich das künstliche Glenoid im Laufe der Zeit lockern kann. Erfreulicherweise konnten wir entscheidende Faktoren identifizieren, die diesem Effekt entgegenwirken können. Insbesondere kommt der Präparation des Pfannenknochens während des operativen Eingriffs eine große Bedeutung zu. Eine übermäßige Entfernung knöcherner Substanz hat hier erhebliche nachteilige Auswirkungen. Durch den Einsatz moderner Implantate und Implantationstechniken gelingt es jedoch, einen optimalen Sitz des Implantats sowie eine sehr gute Langzeithaltbarkeit zu erreichen. In jedem Fall ist eine optimale Planung vor der Operation unter Verwendung spezieller Planungssoftwares entscheidend. Dadurch kann frühzeitig erkannt werden, ob in komplizierten Fällen auf Spezialimplantate zurückgegriffen werden muss oder ob die Anfertigung patientenspezifischer Instrumente erforderlich ist.
Stichwort Schulterarthrose oder Omarthrose, wie es korrekt heißt. Was sind die Ursachen für einen Gelenkverschleiß der Schulter und wie macht er sich bemerkbar?
Häufige Gründe sind fortgeschrittene Alterserscheinungen, chronische Überlastung des Schultergelenks, wiederholte Verletzungen, genetische Veranlagungen und entzündliche Erkrankungen. Die Abnutzung des Gelenkknorpels kann auch aufgrund von Faktoren wie schlechter Haltung, muskulärem Ungleichgewicht oder intensiver sportlicher Betätigung auftreten. Es ist wichtig, diese Ursachen zu erkennen, um präventive Maßnahmen zu ergreifen und geeignete Behandlungsansätze zu wählen. Zu den typischen Symptomen gehören Schmerzen im Schulterbereich, insbesondere bei Bewegungen des Arms. Patienten können auch eine eingeschränkte Beweglichkeit des Schultergelenks erleben, was zu Schwierigkeiten bei alltäglichen Aktivitäten wie dem Anziehen oder Heben von Gegenständen führen kann.
„Alterserscheinungen, chronische Überlastung des Schultergelenks, wiederholte Verletzungen, genetische Veranlagung und entzündliche Erkrankungen sind häufige Ursachen.„
Priv.-Doz. Dr. Sowa
Vor allem im Knie- und Hüftgelenk sind heute große Fortschritte in der Knorpelzelltherapie zu verzeichnen. Wie sieht es beim Schultergelenk aus?
Natürlich können moderne Knorpelersatzverfahren auch an der Schulter angewendet werden. Das Ziel dieser gelenkerhaltenden Chirurgie besteht darin, spezifische Knorpelschäden zu behandeln, um das Schultergelenk langfristig von Beschwerden zu befreien. Vor der Entscheidung für diese Therapieform wird eine präzise klinische und bildgebende Diagnose durchgeführt, um zu analysieren, ob und in welcher Form sie für den jeweiligen Patienten geeignet ist.
Vielen Dank für das interessante Gespräch und die tiefen Einblicke in die komplexe Thematik der Schulterchirurgie, Herr Priv. Dr. Sowa. Wenn Sie mehr erfahren möchten oder direkt mit unseren Schulterexperten in Kontakt treten möchten, besuchen Sie diese Seite und nehmen Sie mit Priv.-Doz. Dr. Sowa direkt kontaktieren: